Bauen

Gesetze und Regelwerke

Was ist bei der barrierefreien Gestaltung des Verkehrsraums zu beachten?

Zwei Aktenordner mit der Beschriftung Richtlinien und Normen sowie Gesetze. Daneben liegen Deckblätter verschiedener Normen und ein Kugelschreiber.

Welche Gesetze verpflichten zum barrierefreien Bauen von Straßen und Gehwegen? Wann müssen Menschen mit Behinderung oder kommunale Behindertenbeauftragte beteiligt werden? Wo wird festgelegt, wie barrierefrei zu bauen ist? Dies sind typische Fragen, die sich für den öffentlichen Verkehrsraum stellen. Dieser Artikel soll Ihnen einen ersten Überblick über die bestehenden Regelungen geben.

Die Barrierefreiheit des Verkehrsraums ist gesetzlich als Zielvorgabe festgelegt. Was genau zu tun ist, um barrierefrei zu bauen, ist den Gesetzen nicht zu entnehmen. Hier kommen die technischen Regelwerke ins Spiel. Sie enthalten konkrete Aussagen, wie Barrierefreiheit erreicht werden kann. Erklärt das zuständige Bundes- oder Landesministerium ein technisches Regelwerk für verbindlich, muss es angewendet werden. Auch Förderprogramme können konkrete Anforderungen zur Herstellung der Barrierefreiheit vorschreiben. Im Folgenden werden zunächst die wesentlichen Gesetze mit Bezug zur Barrierefreiheit vorgestellt. Anschließend erfolgt eine Überleitung zu den technischen Regelwerken.

Gesetze zur Barrierefreiheit im Verkehrsraum

Für die Barrierefreiheit des öffentlichen Verkehrsraums spielen folgende Gesetze eine Rolle:

  • Straßengesetze,
  • die Straßenverkehrsordnung und
  • Gesetze zum öffentlichen Personennahverkehr.

Straßengesetze

Die Straßengesetze regeln die Planung, den Bau und die bauliche Instandhaltung öffentlicher Straßen. Öffentlich sind Straßen, wenn sie dazu bestimmt sind, von der Allgemeinheit genutzt zu werden.

Öffentliche Straßen sind in einem Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern, der dem Verkehrsbedürfnis genügt. Dabei sind auch die sonstigen öffentlichen Belange zu berücksichtigen. Dazu gehört die Mobilität von Menschen mit Behinderungen. Straßen müssen für alle Verkehrsteilnehmenden sicher sein. Dazu sind die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten.

Was sind anerkannte Regeln der Technik?

Anerkannte Regeln der Technik sind technische Festlegungen, zum Beispiel für den Entwurf und die Ausführung von baulichen Anlagen.

Damit sie als „anerkannt“ gelten können, müssen diese:

  • dem geltenden Erkenntnisstand entsprechen,
  • informierten Technikern und Technikerinnen bekannt sein und
  • sich aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung bewährt haben.

Bei DIN-Normen wird vermutet, dass sie die beschriebenen Voraussetzungen der anerkannten Regeln der Technik zutreffend wiedergeben. Das gilt auch für andere technische Regelwerke, wenn sich alle interessierten Stellen und Institutionen an ihrer Entwicklung beteiligen konnten. Aus diesem Grund werden technische Regelwerke zu Rate gezogen, um die anerkannten Regeln zu bestimmen. Technische Regelwerke bestimmen nicht die anerkannten Regeln der Technik, wenn sie die einleitend beschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllen. Dies muss nachgewiesen sein.

Das Straßengesetz für das Land Sachsen-Anhalt gilt für alle öffentlichen Straßen in Sachsen-Anhalt. Für die Bundesstraßen, die durch Sachsen-Anhalt führen, gilt es nur in ausdrücklich geregelten Fällen. Für Bundesstraßen gilt das Bundesfernstraßengesetz.

Träger der Straßenbaulast ist der Bund für die meisten Bundesstraßen. Bei den Landesstraßen ist es das Land, bei den Kreisstraßen die Landkreise und die kreisfreien Städte und für die Gemeindestraßen die Gemeinden. Die Gemeinde ist auch für Gehwege und Parkplätze an Ortsdurchfahrten der Baulastträger, wenn diese an Landes- oder Kreisstraßen liegen.

Rechtsgrundlagen:

Straßenverkehrsordnung

In der Straßenverkehrsordnung steht, wie die öffentlichen Straßen und Gehwege benutzt werden dürfen. So dürfen zum Beispiel Elektro-Rollstühle auf Gehwegen fahren. Alle Möglichkeiten der Nutzung müssen bei der Herstellung von öffentlichen Straßen und Gehwegen beachtet werden.

Rechtsgrundlagen:

Gesetze zum öffentlichen Personennahverkehr

Die Gesetze zum öffentlichen Personennahverkehr sehen unter anderem vor, dass die Beförderungsangebote der unterschiedlichen Verkehrsmittel in einem Nahverkehrsplan aufeinander abzustimmen sind. Die Nahverkehrspläne müssen das Ziel vorsehen, bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Dies betrifft sowohl die Fahrzeuge als auch die Haltestellen. In bestimmten Fällen sind Ausnahmen von der Zielsetzung der vollständigen Barrierefreiheit zulässig. Bei Bedarf sind beim Ausbau von Haltestellen auch die für Straßen, Gehwege und Straßenüberquerungen verantwortlichen Behörden zu beteiligen. Dies sind die Träger der Straßenbaulast. Daher können sich aus einem Nahverkehrsplan auch Anforderungen für die Barrierefreiheit des Verkehrsraums ergeben.

Rechtsgrundlagen:

Was sagt das Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt zur Barrierefreiheit des Verkehrsraum?

Das Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt (BGG LSA) definiert allgemein, was unter Barrierefreiheit zu verstehen ist. Die Definition beschreibt mehr eine Zielvorgabe. Es ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Konkrete Anforderungen der Barrierefreiheit ergeben sich aus der Definition der Barrierefreiheit nicht. Konkrete Anforderungen der Barrierefreiheit werden in technischen Regelwerken formuliert. Wenn Gesetze die Barrierefreiheit vorschreiben, müssen die Anforderungen der technischen Regelwerke aber der allgemeinen Zielvorgabe der Definition der Barrierefreiheit entsprechen.

Im Übrigen verweist das BGG LSA nur auf die Bestimmungen zur Barrierefreiheit des Verkehrsraums, die in anderen Gesetzen stehen. Das sind die bereits erwähnten Straßengesetze, die Straßenverkehrsordnung und die Gesetze zur öffentlichen Personenbeförderung.

Rechtsgrundlagen:

Fördermittel und Barrierefreiheit

Bis 2019 hat das Land Sachsen-Anhalt Projekte des Straßenbaus gefördert. Dabei war die Herstellung einer weitreichenden Barrierefreiheit und die Beteiligung der kommunalen Behindertenbeauftragten gefordert. Seit 2020 erhalten die Landkreise und Gemeinden pauschal finanzielle Mittel vom Land, um in ihre Infrastruktur investieren zu können. Dies ist im Haushalt 2020 und 2021 festgelegt. Diese Mittel können auch zur Verbesserung der Barrierefreiheit im Straßenraum verwendet werden. Eine Anhörung der kommunalen Behindertenbeauftragten ist nicht mehr vorgeschrieben. Trotzdem findet ihre Beteiligung vielerorts statt.

Viele kommunalen Straßenumbauten werden auch aus Fördermitteln für den Städtebau finanziert. Die Herstellung von Barrierefreiheit ist hier eine Voraussetzung für den Erhalt der Mittel.

Mit der Richtlinie „ÖSPV-Haltestellenprogramm“ fördert das Land Sachsen-Anhalt zum einen den barrierefreien Ausbau von Haltestellen des öffentlichen Straßenpersonennahverkehrs. Zum anderen kann die Förderung zur Verbesserung der Information an Haltestellen eingesetzt werden. Um eine Förderung zu erhalten, müssen unter anderem die anerkannten Regeln der Technik eingehalten und die zuständigen Beauftragten für Menschen mit Behinderung einbezogen werden.

Rechtsgrundlage:

Regelwerke

Wie bereits erwähnt, ist Barrierefreiheit in den Gesetzen zum öffentlichen Verkehrsraum und im Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt ein unbestimmter Rechtsbegriff. Technische Normen werden als anerkannte Regeln der Technik angesehen. Sie legen die Regeln der Gestaltung und Planung für das barrierefreie Bauen fest. Für den Verkehrsraum gibt es hierzu Regelwerke vom Deutschen Institut für Normung (DIN) und der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Beide Organisationen sind gemeinnützige Vereine. Die Regelwerke werden in Arbeitsgruppen erarbeitet.

Empfehlungen zur Anwendung der FGSV-Regelwerke

Das für Straßenwesen zuständige Bundesministerium empfiehlt üblicherweise die Anwendung der Richtlinien der FGSV. Die Ministerien der Länder folgen dieser Empfehlung meistens. Auf diese Weise erhalten diese Regelwerke bei Planungen im Straßenbau zwar nicht rechtlich, wohl aber tatsächlich eine hohe Verbindlichkeit.

Verbindlich sind Normen und Regelwerke anzuwenden, wenn sie entweder

  • gesetzlich gefordert oder
  • vertraglich festgelegt werden.

Als anerkannte Regeln der Technik sind sie in jedem Fall eine sichere Planungsgrundlage, um eine Bauleistung frei von Mängeln zu erstellen.

Regelwerke des Deutschen Instituts für Normung (DIN)

Liste der DIN-Normen mit Inhalten zum barrierefreien Verkehrsraum:

Liste der DIN-Normen mit Inhalten zum barrierefreien Verkehrsraum
DIN-Norm Titel Ausgabe
DIN 18040-3

Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum

Muss wegen der Veröffentlichung der DIN EN 17210 bis Januar 2024 überarbeitet worden sein.

2014-12
DIN EN 17210 Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umgebung - Funktionale Anforderungen Deutsche Fassung 2021-08
DIN 32975 Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung 2009-12
DIN 32981 Einrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen an Straßenverkehrs-Signalanlagen (SVA) – Anforderungen 2018-06
DIN 32984 Bodenindikatoren im öffentlichen Raum 2020-12
DIN 32986 Taktile Schriften und Beschriftungen - Anforderungen an die Darstellung und Anbringung von Braille- und erhabener Profilschrift 2019-06
DIN 32989 Barrierefreie Gestaltung - Informationsgehalt, Gestaltung und Darstellungsmethoden von taktilen Karten 2021-09
DIN EN 81-70 Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen - Besondere Anwendungen für Personen- und Lastenaufzüge - Teil 70: Zugänglichkeit von Aufzügen für Personen einschließlich Personen mit Behinderungen Deutsche Fassung 2021-06

Regelwerke der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV)

Die Veröffentlichungen der FGSV folgen einer Systematik der Verbindlichkeit:

Systematik der Veröffentlichungen der FGSV

Systematik der Veröffentlichungen der FGSV
Art Typ Titel / Bezeichnung Formulierungen (Beispiele) Charakter der Regelung
Regelwerk R1 Technische Vertrags-bedingungen / Richtlinien
  • Muss
  • Darf nicht

Anforderungen / Regelfälle beziehungsweise Empfehlungen

Regelwerk R2 Merkblatt / Empfehlungen
  • Soll
  • Soll nicht
Empfehlungen
Wissens-dokument W1 Hinweise
  • Kann
  • Kann nicht
  • ist zweckmäßig
  • nicht zweckmäßig
Möglichkeiten
Wissens-dokument W2 Arbeitspapiere
  • ist zweckmäßig
  • nicht zweckmäßig
Möglichkeiten

Es folgt nun eine Liste der Veröffentlichungen der FGSV, die unter anderem auch Aspekte der Barrierefreiheit im Verkehrsraum beinhalten. Der Typ des Dokuments ist jeweils aufgeführt.

Liste der technischen Regelwerke des FGSV:

Liste der technischen Regelwerke des FGSV
Abkürzung Titel/ Bezeichnung Ausgabe Typ
H BVA

Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen: wird zu einer „Empfehlungen zu Planung, Bau und Betrieb barrierefreier Verkehrsanlagen“ – R2 überarbeitet.

2011 W1
RASt Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen 2006 R1
EFA Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen 2002 R2
ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen 2010 R2
RiLSA Richtlinie für Lichtsignalanlagen 2015 R1
R-FGÜ Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen 2001 R1
RIN Richtlinie für integrierte Netzgestaltung 2008 R1
RSA Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen 1995/2017 R1
EAR Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs 2005 R2

Ihr Ansprechpartner

Foto von Klemens Kruse

Klemens Kruse
Telefon: 0 39 23 / 7 51 - 69
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