Bauen

Gestaltungsregeln

Wie ist ein barrierefreier Verkehrsraum zu gestalten?

Menschen bewegen sich auf hellem, glattem Fußweg und dunklem Mosaikpflaster.

Wie muss die Überquerung einer Straße gestaltet werden? Was ist bei Gehwegen zu beachten? Die Antworten darauf finden Sie in den technischen Standards und Regelwerken. Trotz vieler Festlegungen ist in vielen Situationen immer noch eine Beteiligung von Menschen mit Behinderungen oder von deren Vertretenden notwendig. In diesem Artikel geben wir Ihnen einen Überblick über bestehende Gestaltungsregeln für den Verkehrsraum.

Barrierefreiheit im Verkehrsraum wird vor allem in den Regelwerken des Deutschen Instituts für Normung (DIN) festgelegt. Außerdem gibt es Regelwerke von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Beide Organisationen sind gemeinnützige Vereine. Die Regelwerke werden in Arbeitsgruppen erarbeitet.

Die Regelwerke der FGSV werden von dem Ministerium zur Anwendung empfohlen, das für den Verkehr zuständig ist. Diese Regeln müssen von den Planenden daher vorrangig beachtet werden. Es kann aber auch zusätzlich gesetzliche oder vertragliche Forderungen geben, welche die Einhaltung der DIN-Normen fordern.

Die Belange der Barrierefreiheit werden in den Regelwerken der FGSV mit hoher Verbindlichkeit nur punktuell beschrieben. In den Regelwerken der FGSV gibt es Hinweise zu barrierefreien Verkehrsanlagen. Die Abkürzung lautet H BVA. Sie vertiefen andere Regelwerke der FGSV. Sie beschreiben notwendige Prozesse der Planung und der kommunalen Abstimmung. Außerdem bilden sie Beispiele aus der Praxis ab. Sie beziehen sich jedoch bei den Anforderungen zur Barrierefreiheit auf die Festlegungen der DIN-Normen. Die H BVA beinhalten sehr viele Teilbereiche. Zum Beispiel wird dort die Ausstattung von Lichtsignalanlagen (Ampeln) für blinde und sehbehinderte Menschen behandelt.

Grundprinzipien der Barrierefreiheit im Verkehrsraum

Die DIN 18040-3 legt vor allem die Ziele einer barrierefreien Gestaltung fest. Diese nennt man auch Schutzziele. Wie diese erfüllt werden können, wird mit Beispielen dargestellt.

So sollten die Verbindungswege zwischen wichtigen Lebensbereichen im städtischen und ländlichen Raum ohne Unterbrechungen barrierefrei nutzbar sein. Dies muss auch über verschiedene Zuständigkeiten hinweg der Fall sein. Diese Verbindungswege nennt man auch Wegeketten. So sollten zum Beispiel für Rollstuhlnutzende beim Besuch einer Sportanlage folgende Bereiche stufenlos sein:

  • die Fahrt mit dem Bus,
  • die nächstgelegene Haltestelle des ÖPNV,
  • die Straßenquerung,
  • der Gehweg und
  • die Wege auf dem Grundstück zum Gebäude.

Welche Belange werden berücksichtigt?

Barrierefreiheit berücksichtigt die Belange von:

  • Menschen mit Behinderungen in der Bewegung. Das sind:
    • Rollstuhlnutzende,
    • Rollatornutzende,
    • schlecht gehende Menschen und
    • schwächere Menschen.
  • Menschen mit Behinderungen der Sinne. Das sind:
    • blinde und sehbehinderte Menschen und
    • gehörlose und schwerhörige Menschen.
  • Menschen mit kognitiven Behinderungen. Das sind:
    • Menschen mit geistigen Behinderungen und
    • Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Die Bedarfe von Menschen mit psychischen Störungen sollten ebenso berücksichtigt werden.

Barrierefreiheit von Wegen

Die DIN 18040-3 formuliert für die Barrierefreiheit von Wegen folgende Schutzziele:

  • Stufenlosigkeit sowie eine zulässige Längs- und Querneigung der Wege, die von rollstuhlnutzenden Personen zu bewältigen sind,
  • feste, gut berollbare und rutschhemmende Bodenbeläge,
  • ausreichend bemessene Wegebreiten,
  • Materialien, die eine sichtbaren und mit dem Langstock erfassbaren Kontrast aufweisen, um eine sichere Abgrenzung verschiedener Funktionsbereiche sicherzustellen. Dadurch entstehen gewisse Zonen und Menschen können besser geleitet werden. So sollten zum Beispiel Bereiche für Bänke oder Fahrradständer mit dem Langstock erkennbar sein.
  • auch Gefahrenstellen im Verkehrsraum müssen mit den oben genannten Gestaltungsmitteln erkannt werden,
  • Gestaltung im Zwei-Sinne-Prinzip,
  • Anwendung eines einheitlichen und verständlichen Leit- und Orientierungssystems.

Konkrete Gestaltungsregeln

In diesem Abschnitt wird nur ein kleiner Teilbereich barrierefreier Ausführungen bei Verkehrsanlagen erläutert. Konkrete Fragen zur Barrierefreiheit im Verkehrsraum können Sie uns gern zukommen lassen.

Foto einer Gehbahn aus Granitplatten umfasst von Mosaikpflaster.
Gehbahn aus Granitplatten umfasst von Mosaikpflaster, welches im 45-Grad-Winkel angelegt ist.

Bodenbeläge müssen auch für Zufußgehende eben, fest, rutschfest und sicher begehbar sein. Darüber hinaus müssen sie erschütterungsarm berollbar sein.

Berollbare Beläge im Verkehrsraum sind entweder:

  • mit Bitumen gebundene Oberflächen oder
  • Pflaster und Plattenbeläge, die mindestens nach DIN 18318 ausgeführt sind. Die Fugen sollten so schmal wie möglich sein und die Plattenränder sollten keine Fasen haben. Natursteinoberflächen sollten in den notwendigen Gehwegbreiten so bearbeitet sein, dass sie gut berollbar sind. Die Rutschfestigkeit bei gesägten bestehenden Natursteinbelägen im Denkmalsschutz kann zum Beispiel durch Sandstrahlen hergestellt werden.
Weitere Informationen zu berollbaren Bodenbelägen
Foto einer hellen und glatten Gehbahn aus Granit umfasst von einem dunklen taktil erfassbaren Mosaikpflasterstreifen.
Helle und glatte Gehbahn aus Granit wird umfasst von einem dunklen Mosaikpflasterstreifen. Dieser besitzt eine anderen Struktur, damit er auch mit einem Langstock erfasst werden kann (taktile Wahrnehmung).

Für die Barrierefreiheit ist ein durchgängiger, sichtbarer und mit dem Langstock erkennbarer Kontrast bei Bodenbelägen notwendig. Der Kontrast ist dann taktil und visuell wahrnehmbar. Dadurch können blinde und sehbehinderte Personen sicher im öffentlichen Raum geleitet werden.

Neben Bodenindikatoren können auch sonstige Leitelemente auf Gehwegen als Leitelement dienen. Beispiele dafür sind:

  • eine geschlossene Bebauungskante oder eine Einfassung des Vorgartens mit mindestens 3cm Höhe. Dies ist eine innere Leitlinie.
  • die Bordsteinkante. Dies ist eine äußere Leitlinie.
  • Die Verwendung von Bodenbelägen mit einem visuellen und taktilen Kontrast.

Im innerstädtischen Bereich ist die innere Leitlinie wegen Sondernutzungen oft blockiert. Gründe dafür sind zum Beispiel Auslagen von Geschäften, Fahrradständer oder Außengastronomie.

Für den taktilen und visuellen Kontrast sind glatte und gut berollbare Gehbahnen geeignet. Der angrenzende Belag sollte dabei fugenreich sein und einen visuellen Kontrast zur Gehbahn haben.

Als sonstige Leitelemente sollten stets für die Gemeinde- oder Stadtgebiete ortstypischen Beläge verwendet werden. Es sollte ein für das Gemeindegebiet übergreifendes Leit- und Orientierungskonzept entwickelt werden. Eine Beteiligung der örtlichen Blinden- und Sehbehindertenverbände ist bei der Entwicklung eines solchen Systems sehr wichtig.

Weitere Informationen zur Leitung für blinde und sehbehinderte Personen

Weitere Informationen finden Sie im Leitfaden Barrierefreies Bauen des Bundes (externes Dokument öffnet in neuem Fenster). Zum Thema „Leuchtdichtekontrasten und Natursteinmaterialien“ empfehlen wir Ihnen die Tabelle auf Seite 75. Zur Auswahlhilfe für visuell und taktil wahrnehmbare Belagskombinationen finden Sie Informationen in der Tabelle auf Seite 77.

Gehwege sind die Bereiche im Verkehrs- oder Stadtraum, die für Zufußgehende vorgesehen sind. Der die Fahrbahn angrenzende Gehweg wird Seitenraum (Bürgersteig) genannt.

Gehwege sind barrierefrei, wenn die nutzbare Gehwegbreite wie folgt ausgeführt ist:

  • stufenlos,
  • Breite von mindestens 1,80m,
  • bei baulich bedingten Engstellen, ist über eine Länge von max. 18m eine Einengung auf 90cm zulässig,
  • lichte Höhe von mindestens 2,25m,
  • nur zulässige Längs- und Querneigungen,
  • ebene, feste und erschütterungsarm berollbare Oberflächengestaltung.

Wenn diese Eigenschaften nicht erfüllt werden können, müssen alternative Routen angeboten und ausgeschildert werden.

Im Seitenraum, also dem Gehweg neben der Straße, muss zur Fahrbahn ein Sicherheitsraum von 50cm vorhanden sein. Der Sicherheitsraum zur Bebauung muss 20cm betragen. Ein barrierefreier Bürgersteig muss demnach mindestens 2,50m breit sein. Nach Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA 2002) der FGSV sind folgende Aspekte für die Planung von Breiten des Seitenraums wichtig:

  • die Bebauungsdichte,
  • das Verkehrsaufkommen sowie
  • ein festgelegter Radius zu Sondernutzungen. Dies sind zum Beispiel Wohnheime, Kindergärten, Schulen oder Einkaufszentren.

Die Bodenbeläge von Gehwegen müssen sich bei Flächen mit anderen Nutzungen visuell und taktil unterscheiden. Sondernutzungen können zum Beispiel Flächen für Auslagen, Bänke oder Fahrradständer sein. Einbauten in der nutzbaren Gehwegbreite sollten vermieden werden. Wenn dieses unvermeidbar ist, müssen sie taktil und visuell erkennbar sein.

Zwischen Fuß- und Radwegen, die sich auf dem Fußweg befinden und voneinander getrennt sind, ist ein taktil und visuell erkennbarer Trennstreifen nach DIN 32984 vorzusehen. Dieser muss mindestens 30cm breit sein. Dieser Trennstreifen darf nicht aus Bodenindikatoren bestehen.

Foto eines Trennstreifens zwischen Geh- und Radweg.
Mit dem Langstock ertastbarer und visuell kontrastreicher Trennstreifen zwischen einem Geh- und Radweg.

Barrierefreie Fußgängerquerungen sind Bereiche, bei denen Zufußgehenden, Rollstuhl- und Rollatornutzenden baulich eine Überquerung der Straße ermöglicht wird. Das Überqueren von Straßen ist für alle aber insbesondere für Menschen mit Behinderung eine Gefahrensituation. Der Bordstein muss leicht überrollbar sein. Gleichzeitig soll er für Menschen, die nicht oder schlecht sehen, mit einem Langstock gut erkennbar sein. Ebenso müssen Blindenführhunde den Bordstein erkennen können.

Im Folgenden erläutern wir verschiedene barrierefreie Straßenüberquerungen. Sie sind sowohl für Rollstuhlnutzende als auch für blinde und sehbehinderte Menschen sicher und eindeutig gestaltet.

Getrennte Überquerungsstellen mit differenzierter Bordhöhe

In Deutschland wurde eine Fußgängerquerung entwickelt, die zwei getrennte Bereiche mit unterschiedlichen Borsteinhöhen aufweist. Sie bietet sowohl für Rollstuhlnutzende wie auch für blinde und sehbehinderte Personen eine gute und sichere Möglichkeit, die Straße zu queren. Sie wird getrennte Überquerungsstelle mit differenzierter Bordhöhe genannt.

Bei einer getrennten Querung mit differenzierter Bordhöhe ist Barrierefreiheit durch folgende Maßnahmen umzusetzen:

  • An der Kreuzung abgewandten Seite befindet sich für blinde und sehbehinderte Personen ein 6cm hoher Bordstein.
  • Dieser weist in Gehrichtung eine 60cm tiefe Fläche aus Bodenindikatoren mit Rippen in Gehrichtung auf. Der Bereich ist 60cm, vorzugweise 90cm breit.
  • Um dieses Querungsstelle zu finden, führen Bodenindikatoren aus Noppen in das Richtungsfeld. Dieser Streifen wird Auffindestreifen genannt.
  • Auf der der Kreuzung zugewandten Seite wird der Bordstein auf eine Länge von maximal 1m auf Straßenniveau abgesenkt. Dieser Bereich wird Nullabsenkung genannt.
  • Dieser abgesenkte Bereich ist bis zur Bordhöhe von 3cm durch Bodenindikatoren als Sperrfeld für blinde und sehbehinderte Personen abzusichern. Dies erfolgt durch Rippen parallel zur Straße in 60cm Tiefe.
  • In Ausnahmefällen und unter besonderen Bedingungen darf der Bereich der Nullabsenkung breiter ausgebildet werden.
Foto einer, durch eine Ampel gesicherten getrennten Querung mit differenzierter Bordhöhe.
Eine Ampel sichert die getrennte Überquerungsstelle mit differenzierter Bordhöhe. Die Überquerungsstelle ist getrennt: Auf der einen Seite der Ampel ist der Bordstein auf Straßenniveau abgesenkt. Auf der anderen Seite ist er 6 cm hoch. Unterschiedliche Bodenindikatoren zeigen die jeweiligen Bereiche an.
Gemeinsame Überquerungsstelle mit einheitlicher 3cm Bordhöhe

Eine weitere Lösung einer barrierefreien Überquerung ist eine Bordsteinhöhe, die noch gut überrollbar und mit dem Langstock erkennbar ist. Bei dieser gemeinsamen Querung mit einheitlicher Bordhöhe wird Barrierefreiheit durch folgende Maßnahmen umgesetzt:

  • Die einheitliche Bordhöhe über die gesamte Breite der Stelle der Überquerung beträgt 3cm.
  • Am Bord befindeen sich Bodenindikatoren als Richtungsfeld mit Rippen in Gehrichtung.
  • Um die Querungsstelle zu finden, führen  Bodenindikatoren aus Noppen in das Richtungsfeld. Dieser Streifen wird Auffindestreifen genannt.
  • Der Auffindestreifen sollte in der Regel mittig angeordnet sein.
Foto einer, durch eine Ampel gesicherten gemeinsamen Überquerungsstelle mit einheitlicher 3 cm Bordhöhe.
Eine Ampel sichert die gemeinsame Überquerungsstelle mit einheitlicher 3 cm Bordhöhe. Der Bordstein der Querung ist für alle Nutzenden einheitlich auf 3 cm abgesenkt. Bodenindikatoren führen blinde Personen zur Querung und zeigen am Bordstein die Gehrichtung an.
Gesicherte und Ungesicherte Querungen

Bezüglich des Vorrangs der Verkehrsteilnehmenden gibt es zwei Arten von Querungen:

  • Gesicherte Querungen
    Fußgängerquerungen mit einer Ampelregelung oder einem Zebrastreifen. Sie geben den Zufußgehenden oder den Rollstuhl- bzw. Rollatornutzenden im Bereich der Querung auf der Straße den Vorrang.
  • Ungesicherte Querungen
    Hier wird den Gehwegnutzenden die barrierefreie Querung der Straße durch den Einbau der oben beschriebenen Bordsteinprofile ermöglicht. Andere Maßnahmen zur Sicherung der Querung werden nicht vorgenommen. Die Kraftfahrzeuge haben hier auf der Straße den Vorrang.

Beim Anzeigen einer ungesicherten Querung muss der Auffindestreifen zum Richtungsfeld einen Abstand von mindestens 60cm aufweisen. Vorzugsweise sind 90cm zu berücksichtigen.

Foto einer ungesicherten getrennten Querung mit differenzierter Bordhöhe.
Die Überquerungsstelle ist ungesichert. In einem Bereich der Überquerungsstelle ist der Bordstein auf Straßenniveau abgesenkt, in einem weiteren ist er 6 cm hoch. Deutlich sichtbar ist der Abstand zwischen dem Auffindestreifen und dem Richtungsfeld vor dem 6 cm hohen Bordstein, also dem Bereich, der zur Überquerung der Straße durch blinde Menschen vorgesehen ist.

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Hilke Groenewold
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