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Fragen zur Verpflichtung zur Barrierefreiheit
Gesetzliche Vorgaben zur Barrierefreiheit für Behörden
Auf dieser Seite beantworten wir Ihnen alle wichtigen Fragen zur Verpflichtung von Behörden, ihre Webseiten und Apps nach dem Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt (BGG LSA) barrierefrei zu gestalten. Wir beantworten auch Fragen zur Erklärung zur Barrierefreiheit.
Inhaltsverzeichnis (springen Sie direkt zum Inhalt)
- Welche öffentlichen Stellen sind zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten und mobilen Anwendungen verpflichtet?
- Welche „Träger der öffentlichen Verwaltung“ sind verpflichtet?
- Welche "Einrichtungen des öffentlichen Rechts" sind verpflichtet?
- Welche Vereinigungen sind verpflichtet?
- Gibt es Stellen, die von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung ausgenommen sind?
- Was genau wird unter Webseiten und mobilen Anwendungen verstanden?
- Wann gilt eine Webseite oder mobile Anwendung als barrierefrei?
- Gibt es Ausnahmen von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung?
- Was ist die Erklärung zur Barrierefreiheit?
- Was ist bei der Erstellung der Erklärung zur Barrierefreiheit zu beachten?
- Wann muss die Erklärung zur Barrierefreiheit veröffentlicht werden?
Welche öffentlichen Stellen sind zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten und mobilen Anwendungen verpflichtet?
Zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten und mobilen Anwendungen sind nach dem Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt (BGG LSA) alle öffentlichen Stellen im Sinne von Paragraf 16 BGG LSA verpflichtet. Öffentliche Stellen in diesem Sinne sind:
- Die Träger der öffentlichen Verwaltung nach Maßgabe der Definition in Paragraf 7 Absatz 1 BGG LSA. Siehe dazu auch die Frage Welche „Träger der öffentlichen Verwaltung“ sind verpflichtet?
- „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ nach Maßgabe der Definition in Paragraf 16 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BGG LSA. Siehe dazu auch die Frage Welche "Einrichtungen des öffentlichen Rechts" sind verpflichtet?
- Vereinigungen, an denen mindestens ein Träger der öffentlichen Verwaltung oder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts beteiligt ist, nach Maßgabe der Definition in Paragraf 16 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 BGG LSA. Siehe dazu auch die Frage Welche Vereinigungen sind verpflichtet?
Welche „Träger der öffentlichen Verwaltung“ sind verpflichtet?
„Träger der öffentlichen Verwaltung“ sind die Dienststellen und sonstige Einrichtungen
- des Landes Sachsen-Anhalt,
- der Gemeinden in Sachsen-Anhalt und
- der Gemeindeverbände in Sachsen-Anhalt.
Träger öffentlicher Verwaltung sind auch die
- Körperschaften des öffentlichen Rechts,
- Anstalten des öffentlichen Rechts und
- Stiftungen des öffentlichen Rechts.
Diese müssen der Aufsicht des Landes, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände unterstehen.
Welche „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ sind verpflichtet?
Unter „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ versteht das Gesetz:
- Zum einen juristische Personen des öffentlichen Rechts. Dies sind Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie öffentlich-rechtliche Gesellschaften eigener Art.
- Zum anderen versteht das Gesetz darunter juristische Personen des privaten Rechts. Dies betrifft vor allem Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
Eine öffentliche Stelle im Sinne des Paragrafen 16 BGG LSA sind diese Einrichtungen dann, wenn sie „im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art“ erfüllen und eine besondere Staatsnähe aufweisen.
Wann im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblich erfüllt werden, kann im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein. Eine nicht gewerbliche Aufgabenerfüllung liegt grob gesagt dann vor, wenn sie nicht ausschließlich unter Marktbedingungen erfolgt. Der Begriff der „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ ist dem Vergaberecht entnommen, sodass zur näheren Bestimmung die Rechtsprechung zum Vergaberecht herangezogen werden kann.
Einrichtungen weisen dann eine besondere Staatsnähe auf, wenn
- die Mittel der Einrichtung zu mehr als 50 Prozent von einer öffentlichen Stelle aufgebracht werden, oder
- wenn ein Träger der öffentlichen Verwaltung die Leitung oder Aufsicht über die Einrichtung ausübt, oder
- wenn ein Träger der öffentlichen Verwaltung die Mehrzahl der Mitglieder eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans ernennt.
Welche Vereinigungen sind verpflichtet?
Vereinigungen sind nach Paragraf 16 BGG LSA verpflichtet, wenn auf sie 2 Bedingungen zutreffen:
- Bei der Vereinigung ist mindestens eine öffentliche Stelle Mitglied. Ein Mitglied der Vereinigung muss daher entweder
- ein Träger der öffentlichen Verwaltung sein. Siehe dazu Frage Welche „Träger der öffentlichen Verwaltung“ sind verpflichtet?
- Oder ein Mitglied der Vereinigung muss eine Einrichtung des öffentlichen Rechts sein. Siehe dazu Frage Welche „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ sind verpflichtet?
- Zusätzlich muss die Vereinigung eine besondere Staatsnähe aufweisen. Dies ist der Fall, wenn ein Träger der öffentlichen Verwaltung
- die Mittel der Einrichtung zu mehr als 50 Prozent aufbringt, oder
- die Mehrheit der Anteile an der Vereinigung hat, oder
- die Mehrheit der Stimmen an der Vereinigung hat.
Gibt es Stellen, die von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung ausgenommen sind?
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden nicht von der Richtlinie (EU) 2016/2102 und auch nicht vom BGG LSA erfasst. Für sie gilt der Medienstaatsvertrag.
Webseiten und mobile Anwendungen von Nichtregierungsorganisationen, die eine öffentliche Stelle im Sinne von Paragraf 16 Absatz 1 BGG LSA, müssen nur dann barrierefrei gestaltet werden, wenn die Webseite oder mobile Anwendung eine der 3 folgenden Dienstleistungen anbietet:
- für die Öffentlichkeit wesentliche Dienstleistungen oder
- speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgerichtete Dienstleistungen oder
- für Menschen mit Behinderungen konzipierte Dienstleistungen.
Dies regelt Paragraf 16 Absatz 2 Nummer 1 BGG LSA in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b) Richtlinie (EU) 2016/2102. Siehe dazu auch die Frage Welche öffentlichen Stellen sind zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten und mobilen Anwendungen verpflichtet?
Was genau wird unter Webseiten und mobilen Anwendungen verstanden?
Die Begriffe „Website“ (deutsch: Webseite) und „mobile Anwendung“ sind aus der Richtlinie (EU) 2016/2102 in das Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt übernommen worden. Sie sind daher entsprechend dieser Richtlinie zu verstehen.
Unter „Websites“ versteht die Richtlinie sowohl öffentlich zugängliche Internetseiten als auch das Intranet und das Extranet. Webseiten sind also auch bestimmte, nur intern verwendete, nicht öffentlich zugängliche Web-Anwendungen.
Nach Erwägungsgrund 19 der Richtlinie gehören zum Inhalt von Webseiten und mobilen Anwendungen unter anderem
- textuelle und nicht textuelle Informationen,
- Dokumente und Formulare zum Herunterladen und
- beidseitige Interaktionen wie zum Beispiel die Bearbeitung digitaler Formulare und die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozessen.
Eine Webseite unterscheidet sich von einer anderen in erster Linie aufgrund der Domain oder Subdomain oder einer abweichenden Verantwortlichkeit. Zusätzliche Unterscheidungsmerkmale können eine andere Navigation und ein eigenständiges Layout sein. Ob nur eine oder mehrere Webseiten vorliegen, ist im Einzelfall zu bestimmen.
Unter mobilen Anwendungen versteht die Richtlinie demgegenüber nur solche, die zur Nutzung durch die breite Öffentlichkeit konzipiert und entwickelt wurden, also keine rein intern verwendeten mobilen Anwendungen. Siehe dazu Artikel 3 Nummer 2 Richtlinie (EU) 2016/2102.
Wann gilt eine Webseite oder mobile Anwendung als barrierefrei?
Die Anforderungen der Barrierefreiheit ergeben sich aus Paragraf 16a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt (BGG LSA) in Verbindung mit Paragraf 11 Behindertengleichstellungsverordnung Sachsen-Anhalt (BGGVO LSA).
Webseiten und mobile Anwendungen sind barrierefrei, wenn sie wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet sind. Dies regelt Paragraf 16a Absatz 1 Satz 1 BGG LSA, 11 Absatz 1 Satz 2 BGGVO. Es wird vermutet, dass diese Anforderungen erfüllt werden, wenn Webseiten und mobile Anwendungen der jeweils im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten harmonisierten Norm entsprechen. Das steht in Paragraf 11 Absatz 2 BGGVO LSA.
Was bedeutet das Wort „vermutet“? Eine Webseite oder mobile Anwendung muss wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein. Es reicht aus, wenn dieses Ziel erreicht wird, ohne dass die Anforderungen der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Norm ganz oder teilweise erfüllt werden. Die öffentliche Stelle muss dann aber nachweisen, dass ihre Webseite oder mobile Anwendung trotzdem barrierefrei ist.
Die aktuell im Amtsblatt der Europäischen Union dafür veröffentlichte Norm ist die EN 301 549. Konkret handelt es sich um Version 3.2.1 (2021-03). Sie trägt den Titel „Barrierefreiheitsanforderungen für IKT-Produkte und -Dienstleistungen“. Sämtliche danach zu erfüllenden Anforderungen werden im Anhang A der Norm noch einmal zur Information aufgelistet. Tabelle A1 behandelt die Anforderungen für Webseiten und Tabelle A2 die Anforderungen für mobile Anwendungen. Der größte Teil der Anforderungen verweist auf die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG).Dies ist die international gültige Richtlinie für barrierefreie Webinhalte in der aktuell gültigen Version 2.1.
Die WCAG kennen 3 Stufen der Barrierefreiheit: A, AA und AAA. Die Norm übernimmt davon die Stufen A und AA.
Eine über die europarechtliche Vorgabe hinausgehende Verpflichtung besteht nach Paragraf 11 Absatz 3 BGGVO LSA für:
- Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen. Dies sind zum Beispiel ausfüllbare Formulare oder Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozesse.
- Außerdem besteht die Verpflichtung für zentrale Einstiegs- und Navigationsangebote.
Von diesen heißt es, dass sie die Anforderungen aus der Anlage zur BGGVO „erfüllen“ und ein „höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit anstreben“ sollen.
Die Anforderungen aus der Anlage der BGGVO LSA entsprechen den Anforderungen der Stufe AAA der WCAG 2.0. Dies ist eine weitergeltende Vorgängerversion der geltenden WCAG 2.1. Das „höchstmögliche Maß an Barrierefreiheit“ entspricht nach Auffassung der Überwachungsstelle des Landes Sachsen-Anhalt für die Barrierefreiheit von Informationstechnik der Stufe AAA der geltenden WCAG 2.1.
Die Anforderungen der Stufe AAA der WCAG 2.0 müssen bei den genannten Angeboten in der Regel angewendet werden. Eine Ausnahme von der Anwendungspflicht kommt nur in speziellen Fällen in Betracht. Bei den Anforderungen der Stufe AAA der WCAG 2.1 dürfte eine Ausnahme eher zulässig sein, weil die Stufe nicht „erfüllt“, sondern „angestrebt“ werden soll. Auch hier ist aber die Anwendungsmöglichkeit zu prüfen und eine Nicht-Anwendung zu begründen. Die Begründung ist in der Erklärung zur Barrierefreiheit zu veröffentlichen.
Gibt es Ausnahmen von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung?
Einige Inhalte sind von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung unter bestimmten Voraussetzungen ausgenommen. Dies regelt Paragraf 16 Absatz 4 BGG LSA in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 4 Richtlinie (EU) 2016/2102.
Von der barrierefreien Gestaltung können öffentliche Stellen im Einzelfall absehen oder diese schrittweise herstellen, soweit sie durch eine barrierefreie Gestaltung unverhältnismäßig belastet würden. Siehe dazu Paragraf 16a Absatz 4 BGG LSA und Artikel 5 der Richtlinie (EU) 2016/2102. Um festzustellen, ob eine unverhältnismäßige Belastung vorliegt, muss die öffentliche Stelle zwei Interessen gegeneinander abwägen. Das sind zum einen die organisatorischen oder finanziellen Lasten der öffentlichen Stelle, aufgrund der barrierefreien Gestaltung. Zum anderen sind es die Nachteile für alle Bürger und Bürgerinnen, aufgrund des fehlenden Zugangs zu Informationen und Dienstleistungen. Beides muss gegenübergestellt werden. Nach Erwägungsgrund 39 der Richtlinie (EU) 2016/2102 sollten mangelnde Priorität, Zeit oder Kenntnis nicht als berechtigte Gründe für eine unverhältnismäßige Belastung gelten. Es empfiehlt sich, die vorgenommene Abwägung zu dokumentieren.
Auch wenn eine unverhältnismäßige Belastung festgestellt wird, besteht jedoch eine Verpflichtung zur Barrierefreiheit, soweit die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Die Ausnahme wegen einer unverhältnismäßigen Belastung erlaubt in der Regel also nicht, vollständig auf eine barrierefreie Gestaltung zu verzichten. Es wird lediglich das Maß der Barrierefreiheit soweit reduziert, dass keine unverhältnismäßige Belastung mehr vorliegt.
Wenn von der Ausnahme wegen einer unverhältnismäßigen Belastung Gebrauch gemacht wird, ist dies in der Erklärung zur Barrierefreiheit anzugeben. Siehe dazu auch die Frage Was ist die Erklärung zur Barrierefreiheit?
Was ist die Erklärung zur Barrierefreiheit?
Gemäß Paragraf 16b Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt (BGG LSA) müssen öffentliche Stellen im Land Sachsen-Anhalt „eine detaillierte, umfassende und klare Erklärung zur Barrierefreiheit“ auf ihrer Internetseite, Intranetseite und mobilen Anwendung bereitstellen. Diese muss regelmäßig aktualisiert werden. Die Erklärung zur Barrierefreiheit enthält drei Bestandteile:
- eine Angabe, inwieweit die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind (Konformitätserklärung),
- ein Kontaktformular, um Mängel der Barrierefreiheit des digitalen Angebotes mitzuteilen (Feedback-Mechanismus) und
- den Hinweis auf die Ombudsstelle, die Nutzerinnen und Nutzer anrufen können, wenn es aus ihrer Sicht keine zufriedenstellende Antwort der öffentlichen Stelle auf die Kontaktaufnahme gegeben hat.
Was ist bei der Erstellung der Erklärung zur Barrierefreiheit zu beachten?
Tipps sowie eine Vorlage für die Erklärung zur Barrierefreiheit finden Sie auf unserer Seite Erstellungshilfe für die Erklärung zur Barrierefreiheit.
Wann muss die Erklärung zur Barrierefreiheit veröffentlicht werden?
Die Übergangsfristen zur Veröffentlichung der Erklärung zur Barrierefreiheit sind abgelaufen. Internet-, Intranet- und Extranetseiten sowie mobilen Anwendungen müssen jetzt also alle eine Erklärung zur Barrierefreiheit veröffentlicht haben.
Ihre Ansprechpartnerin
Kathrin Wille
Telefon: 0 39 23 / 7 51 - 81
Nutzen Sie das Formular auf der Seite Kontakt Überwachungsstelle, um eine Nachricht an Frau Kathrin Wille zu übermitteln.